Er neigt sich dem Ende zu, der erste Wildnis-Intervall.
Heute, an Tag sieben, bin ich wieder einmal ganz für mich alleine. Großmutter Newman ist unterwegs. Sie unternimmt in einem Monat mehr Ausflüge, als ich im ganzen Jahr. Jedenfalls stehen einige To-Dos auf dem Zettel. Am Abend werde ich noch einkaufen gehen müssen. Die unverzichtbare Küchenrolle ist uns ausgegangen. Für den Tag stehen Schreiben und Sonne tanken auf dem Programm. Es hat in dieser ersten Wildnis-Phase tatsächlich nur geregnet! Ständig! Trotzdem habe ich nicht einmal an einen Abbruch gedacht. Das macht eine Laura nicht. Die Wildnis wird genommen, wie sie kommt.
Gleich am ersten Tag war viel los auf dem Newman-Grundstück. Es galt einen Baum zu beschneiden. Mit Kettensäge und Mut bewaffnet rückten wir den Ästen auf die Pelle. Ruckzuck war ein kleines Loch im Dickicht geschaffen. Jetzt bekommt die Terasse vor dem Haus im Sommer wieder mehr Licht ab.
An Tag zwei drehte sich alles um die ersten Kapitel des neuen Buches. Parallel zur Coverenthüllung soll die Rohfassung des Manuskripts fertiggestellt werden. Ich darf nicht schwächeln. Einer ersten Auswertung der Statistik zufolge, werde ich mindestens vier Wildnis-Intervalle brauchen, um das zu schaffen. In den ersten sieben Tagen zähle ich fast 20.000 Wörter. Ein großartiger Schnitt, wenn man bedenkt, dass ich mich hier mit mehr, als „nur“ dem Schreiben beschäftige. Dennoch könnte es knapp werden. Es ist bereits Mitte Juli. Morgen reise ich wieder ab und komme erst in einigen Tagen wieder. Bis Ende August muss alles unter Dach und Fach sein, damit die Testleser noch vor der Buchmesse zum Einsatz kommen, denn im November ist schon wieder NaNoWriMo. Dort sollen weitere 50.000 Wörter für das nächste Buch geschrieben werden.
Zwei Bücher im Jahr. Das ist meine aktuelle Messlatte. Für einen Self Publisher fast schon ein niedriger Wert. Aber ich unterscheide nicht zwischen Hybriden, Verlagsautoren und Self Publishern. Ich denke in Gelegenheiten. Der Februar und März, sowie September und Oktober sind den Buchmessen vorbehalten. Ende August bis Mitte September steht Urlaub auf dem Programm. Im Dezember ist die Familie dran und zu Beginn des Jahres hat man noch mit der Winterdespression zu kämpfen. Gelegenheit ein Buch zu schreiben bieten demnach der Hochsommer und der November mit seinem Gruppenzwang. Bisher hat das ganz gut geklappt.
Never change a running System.
Da ich seit Mitte des Jahres neben meinem YouTube-Kanal, dem DaWanda Shop und dem Schreiben außerdem noch als Coverdesignerin tätig bin, bleibt ohnehin nicht viel Zeit. Man muss Prioritäten setzen. Das hat mein Chef damals immer zu mir gesagt und ich habe darüber gelacht. Wenn man seine Tage mit nichts als Fernsehgucken, Essen und Schlafen verbringt, erscheinen Prioritäten geradzu absurd. Es ist doch für alles genügend Zeit da.
Seitdem hat sich viel geändert in meinem Leben. Meine Tage müssten 35 Stunden haben, doch ich schaffe es gerade so mir 17 zu krallen. Trotzdem hatte ich noch nie in meinem Leben so viel Spaß. Es könnte gar nicht schöner sein. Ich muss bloß aufpassen, mich nicht zu übernehmen. Und genau das sollen meine Aufenthalte in der Wildnis verhindern.
Den Kopf frei bekommen.
Ich war in den ersten fünf Tagen ganz für mich allein. Keiner kam zu Besuch. Keine Unternehmungen standen an. Wie schon erwähnt, regnete es ununterbrochen. Ich verbrachte die meiste Zeit also auf der Veranda, was gar nicht so schlecht ist, denn diese soll schon bald einen ganz neuen Look erhalten. Ich plane, die Wände richtig schön „schäbig“ weiß zu streichen. Ein erster Fehlkauf in Sachen Lasur drückte etwas auf die Stimmung, doch jetzt ist alles gut.
Alle Bilder, Ziertellerchen, Blumenkränze und Gardinenstangen sind bereits abmontiert. Bald kann gestrichen werden. Wäre da nicht das leidige Abschmirgeln … Das muss natürlich zuerst erledigt werden, doch ich habe keine Angst. Wie sagte der Bösewicht im zueletzt gelesenen Heitz noch immer?
Ich kann das!
Aber zurück zum Schreiben. Geplottet haben mein Freund und ich ja bereits Mitte Juni. Die Namen der Protas stehen ebenfalls fest. Auch die Location ist ausgewählt und wurde, mittels Google Street View, genau unter die Lupe genommen. Alles ist bereit. Kapitel 1 geht mir noch etwas hölzern von der Hand. Aber keine Sorge! Das ist immer so. Danach läuft es prima. Erste, kleine Wendungen bahnen sich an, wir lernen die Protagonisten kennen, zwischenmenschliche Bindungen werden vertieft. Alles, wie es sein soll.
Nebenbei teste ich ein neues Wildnis-Format. Kleine Videoschnipsel, direkt aus der Wildnis veröffentlicht. Das gab es noch nie. Die Resonanz ist super, was mich natürlich freut. Immerhin ringe ich meinem Datentarif damit alles ab. Es kann durchaus vorkommen, dass ich geschlagene 12 Minuten mit dem Handy am ausgestreckten Arm auf der Wiese stehe und darauf warte, dass der YouTube-Uploader sich endlich erbarmt und das Video ins Netz entschwindet.
Auch gegessen wird wieder gut. Natürlich noch besser, seit Großmutter Newman zurück ist. Gestern zum Beispiel gab es Bratwurst mit Kartoffeln und Wurzeln. Ja, Großmutter Newman sagt „Wurzeln“ zu Möhren. Sie sagt auch „Bux“ zur Hose und bei ihr „verpurtet“ man Dinge, statt sie zu verbocken. Die Wurzeln kommen jedenfalls nicht ohne eine gehörige Portion brauner Butter auf den Tisch. Wieso braun? Weil man sie vorher auslässt. Das sind die Kleinigkeiten, die mir den Wildnis-Alltag versüßen. Das, und gutes Wetter.
Seit gestern ist es aufgeklart. Weniger Wolken, gar kein Regen mehr und heute sogar richtig anständige Temperaturen. Morgen sollen es 30 Grad werden. Natürlich genau an dem Tag, wo wir hier das Dach teeren wollen. War ja klar … Aber ich bin motiviert. Bislang hat immer alles hingehauen. Warum sollte es dieses Jahr anders kommen?
Ich sende sonnige Grüße aus der Wildnis.
Eure Laura