31. Dezember 2019: Die chinesischen Behörden registrieren 27 Infektionen mit einer unbekannten Lungenerkrankung. Als Ursprungsort wird ein großer Markt in der Millionenstadt Wuhan ausgemacht … Da haben wir ihn, den Anfang einer globalen Krise, wie sie zu unseren Lebzeiten noch nicht stattgefunden hat.
Während meiner Recherchen zu diesem Artikel war ich neugierig. Was habe ich eigentlich zu diesem Zeitpunkt getrieben? Nun, ich hab mal nachgesehen. Laut meinem E-Mail-Postfach habe ich an diesem Silvestertag einige Mails an meine Kunden versendet, um Projekte für das wohlklingende Jahr 2020 zu planen. Außerdem habe ich 178,33 $ an facebook gezahlt, weil ich im Dezember einige Werbeanzeigen für mein neues Buch geschaltet hatte. Anschließend habe ich mich schick gemacht und bin in ein Restaurant gefahren, um dort gemeinsam mit meinem Freund und meiner Familie das neue Jahr zu begrüßen. Nicht ahnend, dass sich mein, und unser aller Alltag, in weniger als drei Monaten komplett verändern würde.
100 Tage später
Mittlerweile beherrscht Corona den Alltag. Jede Unterhaltung, jede Fernsehsendung und beinahe alle Gedanken drehen sich um COVID-19. Man kann sich noch so sehr bemühen, es gibt kein Entkommen. Alles und jedermann ist in der einen oder anderen Weise davon betroffen. Nicht genug, dass wir es hier mit einer weltweiten Krise zu tun haben, dieses hinterhältige Virus spaltet uns in Lager. Politiker stehen vor folgenschweren Entscheidungen und werden von allen Seiten kritisiert. Ganze Bevölkerungsgruppen fühlen sich entweder benachteiligt oder sehen sich in der Helden-Position. Ja selbst im eigenen Freundes- und Familienkreis gehen Handlungsweisen und Meinungen teilweise so stark auseinander, dass plötzlich trotzige Funkstille herrscht oder spitze Kommentare abgefeuert werden. Wir wandeln auf dem zahnseideschmalen Grat zwischen bedingungsloser Solidarität und gegenseitigem Unverständnis.
Ich will es an dieser Stelle ganz klar sagen: Dieser Artikel soll keine Berichterstattung oder neutrale Zusammenfassung sein. Ich beschreibe im Folgenden meine ganz persönliche Sichtweise und die von mir gemachten Beobachtungen. Weder hat dieser Text einen Anspruch auf Richtigkeit noch auf Objektivität. Es ist meine, innerhalb des kleinen Universums meines Lebens entstandene, Sicht auf das Geschehen.
Für mich fing es so an
Zum ersten Mal richtig begriffen, dass da gewaltig etwas schiefläuft, habe ich um den 10. März 2020. Zehn Tage zuvor war die Leipziger Buchmesse abgesagt worden, weshalb meine Mutter und ich aus unserem Buch-Trip eine Freizeitveranstaltung machten. Von Mittwoch bis Samstag sollte es nach Leipzig gehen. Zu diesem Zeitpunkt fanden noch Fußballspiele statt, kein Mensch redete über fehlende Schutzkleidung oder Intensivbetten. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse.
Noch am Tag unserer Anreise verhängt US-Präsident Trump ein Einreiseverbot. Einen Tag später erklärt die WHO das Sars-CoV-2 zu einer Pandemie. An Tag drei werden auch die noch verbliebenen Sportveranstaltungen abgesagt und Herr Trump ruft für die USA den Notstand aus. Während Italien bereits am 9. März zur Sperrzone wurde, macht auch Spanien am Tag unserer Rückreise aus Leipzig die Grenzen dicht. Man kann also sagen, dass selbst ich nun endlich begriffen hatte, dass wir ein Problem haben.
Selbst ich? Das klingt, als wäre ich ziemlich einfältig. Was ich jedoch damit meine ist, dass ich in der Regel keinen gesteigerten Wert auf Nachrichtensendungen lege. Ich bekomme das Meiste schlicht nicht mit. Gut, das könnte man tatsächlich als einfältig bezeichnen, schon klar. Letztlich beschäftigt mich meine 50-70 Stunden Arbeitswoche, die Buchhaltung und die Aufrechterhaltung meines winzigen Rests an Privatleben einfach so sehr, dass wenig Raum für schnöde Diskussionen zwischen machthungrigen Politikern und der neuste Anstieg von Kriminalität in Stadt X bleibt. Ich gebe zu, ich beschäftige mich lieber mit schönen Dingen. Zumindest war das bisher so.
Die Informationsflut
Seit Mitte März läuft nun auch bei mir eine Nachrichtensendung nach der anderen auf den diversen Bildschirmen. Ich schaue sie beim Kochen, höre sie während der Arbeit, ich stricke auf dem Sofa zu ARD Extra, Lanz, Will und Co. Keine Bundespressekonferenz verpasse ich und den lieben Herrn Wieler würde ich mittlerweile sogar betrunken im Dunkeln wiedererkennen, dabei hatte ich vor alldem noch nie von ihm gehört. Nach 36 Jahren auf diesem Planeten bin ich nun also zum ersten Mal tatsächlich in der Lage, mir eine Meinung zu bilden. Natürlich nicht bloß auf Basis der Berichterstattung, sondern auch durch das faszinierte Beobachten meiner Nachbarn, Bekannten und Wildfremden auf der Straße.
War vor Corona hier und dort immer mal wieder von Digital Detox die Rede, gehen viele von uns nun dazu über sich zum Abschalten der Nachrichten zu zwingen. In den Sozialen Medien liest man immer öfter davon. Die Leute können es nicht mehr hören. Das Gerede über Corona ziehe sie runter, sie hielten jetzt Nachrichten-Diät. Mir fällt das schwer. Zwar schaue auch ich nicht mehr alles und rund um die Uhr, doch ertappe ich mich regelmäßig dabei, dass ich statt meinem üblichen Raucherpausen-Blick auf Instagram, lieber die Google News Suche nach Corona öffne. Und irgendwas liegt schließlich immer an. Waren es gestern noch die eiligen Schulschließungen ist es heute die Schließung der europäischen Grenzen oder die Absage der Olympischen Spiele. Der Informationsfluss reißt nicht ab. Doch neben dem Weltgeschehen interessiert und fasziniert mich besonders, was die Menschen um mich herum so treiben.
Die Meinungen gehen auseinander
Ich lausche Sprachnachrichten in WhatsApp Gruppen, lese Kommentare auf Instagram, facebook und Co und tausche mich mit Familienmitgliedern aus. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Wahrnehmung und Reaktion auf die Krise sind.
Während sich manch ein älteres Familienmitglied von den drohenden oder bereits beschlossenen Einschränkungen fast schon persönlich beleidigt sieht und sich aus Trotz gleich noch einmal mehr mit Freunden zum Spieleabend trifft, erreichen mich aus anderen Teilen des Bekanntenkreises Äußerungen wie „Dann sollen die Alten halt sterben. Hauptsache nicht auf Kosten der Lebensgrundlage von uns Jüngeren beschützt werden.“ Ich höre zu, wie sich Freunde und Bekannte über diese asozialen Toilettenpapierjäger brüskieren, gleichzeitig aber nicht bereit sind besonders gefährdete Personengruppen vor dem Virus zu schützen, wenn sie selbst dafür auf den Restaurantbesuch verzichten müssen.
Und auch ich selber entdecke zickige Züge an mir. Eine zunächst unschuldige Unterhaltung mit meiner Mutter eskaliert beinahe, nachdem sie versucht mir die positiven Auswirkungen der Krise nahezubringen. Man habe nun ja endlich mal mehr Zeit für die Dinge, die man schon lange mal erledigen wollte. Man könnte seine Hobbys reaktivieren, den Balkon mal wieder putzen, sich Zeit für sich nehmen. Solche Äußerungen höre ich zu diesem Zeitpunkt immer öfter. Doch während bei mir plötzlich Aufträge ausbleiben, ich gleichzeitig neue Internetverträge abschließe, um meinen Freund ins Home-Office zu holen, ich weiterhin Vollzeit arbeite und an Balkonputzen oder neue Hobbys nicht im Traum zu denken ist, wird auch meine Haut dünner. Da kann es schon mal passieren, dass ich mir wünsche, die anderen sollen ihre offenbar plötzlich massenweise zur Verfügung stehende Freizeit still und leise genießen.
Aber dann erinnere ich mich selber an etwas, dass wir alle uns in diesen Zeiten gelegentlich vor Augen führen sollten.
Jeder ist betroffen
Wir Menschen neigen dazu einen Tunnelblick zu entwickeln, wenn uns etwas bedrückt. Immer ist das, was uns ganz persönlich beschäftigt, schlimmer als die Dinge, die andere gerade durchmachen. Wer auf Kurzzeit ist, hätte lieber einen systemrelevanten Arbeitsplatz. Wer seinen Job weiter erledigen darf/muss, beneidet diejenigen, die nun bezahlt daheimbleiben und ihre Balkone putzen. Und wer wie ich um seine Existenz fürchten muss, sehnt sich plötzlich nach einem Angestelltenverhältnis zurück. Tritt man nun jedoch mal einen Schritt zurück und betrachtet das große Ganze, wird schnell klar, dass wir alle Grund zur Nervosität haben. Selbst wenn man nicht unmittelbar existenziell betroffen ist, gehört man aber ja vielleicht zur Risikogruppe oder sorgt sich um Mutter, Großmutter oder um ein anderes Familienmitglied. Wer aktuell mit Partner und Familie zu Hause „eingesperrt“ ist, hat sicher den ein oder anderen neidischen Gedanken für die alleinstehende Nachbarin übrig, während diese sich jedoch noch nie so einsam gefühlt hat und dringend mal wieder umarmt werden möchte. Wie wir es auch drehen und wenden, es ist unser aller Problem und deshalb ist es jetzt absolut sinnvoll genau nachzudenken, bevor man andere verurteilt, beneidet oder verantwortlich macht.
Die Sache mit der Schuld
Ja wer genau ist eigentlich verantwortlich und wofür? Sind wir jetzt alle sauer auf die Chinesen, weil die so verrückt waren Wildtiere zu jagen und zu essen? Und wenn ja, sehen wir es dann wie Präsident Trump, der das Virus an einem Tag als das chinesische Virus und am nächsten als das europäische bezeichnet? Und wie genau lassen sich solche Gedanken auf die aktuelle Lage herunterbrechen? Da werden Stimmen laut, die behaupten, die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen seien Schuld an der jetzigen Situation. Immerhin könnten alle Läden ja wieder öffnen und die Kinder in die Schule gehen, wenn es diese Menschen nicht gäbe oder wir uns einfach ganz darwinistisch dazu entscheiden würden, sie nicht zu schützen. Viele von uns werden aufgrund ihrer immerhin zehntägigen Vorbildung durch Bildzeitung und Talk Shows zu Experten und wissen genau, was die Politiker jetzt tun sollten. Natürlich ist das immer exakt das, was diese aktuell nicht tun. Ich persönlich – und ich hatte in der Vergangenheit nur wenig für Politiker übrig – bin momentan ziemlich froh, dass ich in einem Land wie Deutschland lebe. Zum ersten Mal, seit ich denken kann, fühle ich mich wirklich gut aufgehoben und möchte mein absolutes Vertrauen in die Politik setzen. Natürlich ist dies der Stand vom 10. April 2020. Mag sein, dass ich es in ein paar Monaten anders sehe, doch jetzt gerade finde ich, dass man eines nicht vergessen darf: Keiner von uns, auch kein Wissenschaftler oder Politiker, hat solch eine Situation schon mal erlebt. Ich bin froh, dass nicht ich es bin, die jetzt die notwendigen Entscheidungen treffen muss und ich habe größten Respekt vor denen, die es tun. Zumindest, was mein kleines Land betrifft. Ein Blick nach Osten oder über den Atlantik hinweg lässt mich durchaus am Verstand manch eines Regierenden zweifeln.
Strategien zur Bewältigung
Interessant ist auch, wie jeder Einzelne versucht, mit der Situation umzugehen. Ich vermute, dass der Großteil von uns aktuell noch ganz gut mit dem immer hilfreichen Mechanismus Verdrängung fährt. So planen die meisten von uns z. B. einmal im Jahr einen richtig schönen Sommerurlaub. Ob nun in der behüteten Hotelanlage auf Kos oder in der trendigen Ferienwohnung in Strandnähe. Wir freuen uns auf diese paar Tage und wir brauchen sie. Zumindest leben wir das so seit Jahrzehnten. Tatsächlich brauchen tun wir sie wohl nicht. Ich weiß zum Beispiel, dass meine Großmutter, die mit neun Jahren geflüchtet ist, sicher den größten Teil ihres Erwachsenenlebens keinen Gedanken an eine Pauschalreise nach Malle verschwendet hat. Und siehe da, sie ist trotzdem ein ausgeglichener und fröhlicher Mensch, der nicht im Traum auf die Idee gekommen wäre, sich das Leben zu nehmen oder ihre Kinder zu misshandeln. Aber zurück zum Thema. Ich denke, dass wir momentan noch glauben wollen, dass alles ganz bald wieder gut wird. Und solange wir erfolgreich verdrängen, was eigentlich schon offensichtlich ist – nämlich die Tatsache, dass es keinen Sommerurlaub oder dergleichen geben wird – halten wir tapfer durch.
Ich beobachte außerdem eine weitere, offenbar beliebte Bewältigungsstrategie: Sport. Körperliche Betätigung erfreut sich in Tagen von Corona äußerster Beliebtheit. Würde man sie noch lassen, Fitnessstudios könnten sich jetzt eine goldene Nase verdienen. Doch stattdessen wird gejoggt, als hinge das eigene Leben davon ab. Seit fast einem Jahrzehnt wohne ich nun im zweiten Stock eines Mietshauses und sehe täglich, was draußen in meiner Straße geschieht. Als jemand, der auch vor Corona, nur einmal die Woche die Wohnung verlassen hat, habe ich das genau im Blick und traue meinen Augen kaum. Nicht nur, dass offenbar alle Bremer von heute auf morgen zu Sportskanonen mutiert sind – da wird hinter den Fenstern Cardiotraining gemacht und auf der Straße mühen sich die plötzlich so zahlreichen Jogger damit ab, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen, um den gesetzlich verordneten Sicherheitsabstand einzuhalten – nein, man trifft sich auch wieder vor der Haustür zum guten alten Plausch unter Nachbarn. Fast scheint es, als wäre die Verkündung der Ausgangsbeschränkungen der Startschuss für alle gewesen, um endlich mal wieder mit sämtlichen Mietparteien nach draußen zu gehen. Was ich nur aus den Erzählungen meiner Großmutter kenne, wird nun wieder gelebt. Face-to-Face Unterhaltungen auf offener Straße zwischen Menschen, die zuvor kaum einordnen konnten, wer da eigentlich über oder unter ihnen wohnt. Belebte Stadtparks, in denen – natürlich auch wieder gejoggt – aber auch unentwegt spazieren gegangen wird. Der klassische Spaziergang ist wieder angesagt. Wer hätte das gedacht? Dafür war vor Corona ja auch kaum Zeit, doch nun wollen wir die Möglichkeiten, die uns geblieben sind, voll ausnutzen. Ich kenne Menschen, die eigentlich ganz entspannt alleine flanieren könnten, sich aber gerne noch jemanden dazuholen, denn das sei ja erlaubt. Vor Corona wären sie wohl einfach zu Haus geblieben. In jedem Fall werden wir wohl alle mit stählernen Muskeln und krasser Ausdauer aus der Sache herausgehen. Und ja … auch ich habe mein Gymondo-Abo reaktiviert und mache nun dreimal in der Woche Sport vorm TV. Vermutlich deswesen, weil das mit dem Verdrängen bei mir nicht so gut geklappt hat.
Eine weitere Möglichkeit mit der Krise umzugehen ist Wut. Wer weder Bock auf Fitness noch auf Selbsttäuschung hat, haut jetzt mal so richtig auf den Tisch. Ich habe es im Supermarkt erleben dürfen. Männer, die Kassiererinnen anschreien, weil diese sie auf den Sicherheitsabstand hingewiesen haben. „Es sei jetzt aber auch mal genug“, heißt es dann mit lauter Stimme. Verwandte, die andere Verwandte anfahren, weil diese es wagen den geplanten Kaffeeklatsch abzusagen. Paare, die sich streiten, weil das Geld knapp wird und die Zukunft bitter scheint. Und dann gibt es natürlich noch die, die sich wo sie gehen und stehen über die Ausgangsbeschränkungen aufregen. Aber Moment mal! „Wo sie gehen und stehen?“ Dabei sollen sie doch gar nicht mehr umherlaufen. Und tatsächlich nehmen viele das Wort „Ausgangssperre“ in den Mund und verteufeln diese, während sie vor dem Baumarkt anstehen, um wenigstens mal irgendwo was unternehmen zu können. In einer Nachrichtensendung sagt eine Baumarktbesucherin doch tatsächlich: „Lange darf das nicht mehr so gehen, das halten wir ja nicht aus!“ Und dann trägt sie ihre Margariten zum Auto auf dem gut gefüllten Parkplatz.
Randbemerkung: Die Ausgangsbeschränkungen galten zu diesem Zeitpunkt erst seit etwa einer Woche …
Ich frage mich schon, ob die Menschen, die es jetzt gerade „nicht mehr aushalten“, noch nie in ihrem Leben krankgeschrieben waren oder einfach mal zwei Wochen daheim verbracht haben? Vielleicht bin ich auch einfach gut trainiert? Immerhin bin ich es gewöhnt nicht rauszugehen und habe, seit meinem Ausscheiden aus dem Angestelltendasein im Jahr 2014, auch keine lokalen Kontakte mehr zu pflegen. Vermutlich sehe ich es deswegen so locker und verbringe heute den fünfzehnten Tag in Heimisolation mit meinem Partner (nur durch einen schnellen Lebensmitteleinkauf unterbrochen) ohne mit der Wimper zu zucken. Vielleicht, und das möchte ich eigentlich lieber glauben, stellen sich einige von uns auch bloß ziemlich an.
Neue Perspektiven
Suchen wir doch mal nach positiven Begleiterscheinungen der Krise. Da gibt es tatsächlich so einige und viele durchaus begrüßenswerte Entwicklungen zeichnen sich ab. So erkunden viele von uns nun deutlich intensiver das, was die Kanzlerin im Juni 2013 so schön als „Neuland“ bezeichnete. So sehr ich diese Aussage damals auch verteufelt und übelgenommen habe, so deutlich wird nun, wie wenig einige von uns sich mit dem Neuland auskennen und wie viel wir nun damit anstellen können. Hier entstehen neue Ideen, es finden Menschen zueinander, die nun eigentlich isoliert gewesen wären und Unterhaltung gibt’s oft gratis. Und mal ehrlich, wenn Jan Hofer das Intro der Tageschau im oben-hui-unten-pfui YouTuber Outfit mit zwei Topfdeckeln nachstellt, wer kann denn da noch trübe Gedanken haben? Ich find’s jedenfalls prima und freue mich auf all die längst fälligen Neuerungen im Onlinebereich, auf den nun vielleicht neu zu überdenkenden Ausbau des Netzes in Deutschland und auf Schulen, deren Rechner nicht im selben Alter wie meine Mama sind. Nicht bös gemeint, Mutti!
Ebenfalls gespannt erwarte ich die kommenden Veränderungen in unserem Verhalten. Wird es noch einen Handschlag geben oder heißt es ab jetzt doch eher Ebola-Gruß oder Wuhan-Shake? Und wie schön wird sich die erste Umarmung anfühlen, wenn man es endlich wieder darf? Wie groß die Freude, wenn das Lieblingscafé die Krise überstanden hat und man dort endlich wieder einkehren kann?
Extrem positiv muss man auch den Einsatz und den Einfallsreichtum mancher Mitmenschen bewerten. Da hilft, wer gerade nicht zur Arbeit darf, seinen Nachbarn. Unwichtig, ob man vorher schon einmal Kontakt hatte oder nicht. Hilfe wird pauschal angeboten. In Form von Zettelchen an der Haustür oder im „Neuland“. Auf der Straße wirft man sich unbekannterweise wissende und mitfühlende Blicke zu, wenn man sich brav aus dem Weg geht und manches weiß man erst jetzt so richtig zu schätzen. Das unkomplizierte Reisen innerhalb der EU, das Fitnessstudio, Kinobesuche, die Buchhandlung in der Stadt und natürlich die Freiheit sich mit wem man möchte, wann man möchte, wo man möchte zu treffen.
So brauchte es also erst einen partiellen Freiheitsentzug, damit wir bemerken, dass wir zeit unseres Lebens in einem freien Land gelebt haben.